Was macht unser Menschsein im Kern aus?
Was verbindet uns mit allen Lebewesen und Kulturen?
Was teilen wir mit der Erde und ihren Ökosystemen?
Wir sind verletzlich.
Auf dem Weg, das Leben zu verstehen, es zu schützen und weiterzuentwickeln,
ist die Verletzlichkeit ein Schlüssel:
Angesichts der großen Krisen unserer Zeit kann uns die Verletzlichkeit neue Wege eröffnen –
in ein liebendes, friedliches und authentisches Miteinander.
Was bedeutet Verletzlichkeit?
Verletzlichkeit bedeutet für mich, in mich hineinzuschauen, wahrzunehmen, was ist, und dann mutig genug zu sein, es auszudrücken. Besonders wenn es außerhalb der Norm ist. Wir erlauben dadurch Lebendigkeit und Ergebnisoffenheit, so dass das Leben durch uns fließen kann und sich neu zeigen kann. Es ist immer wieder ein Geschenk, welche tiefen und authentischen Verbindungen zwischen Menschen möglich werden, wenn wir zeigen, wer wir wirklich sind.
Wenn wir uns um unsere Verletzlichkeit kümmern, dann kümmern wir uns zutiefst um unser Menschsein. Verletzlichkeit bringt uns immer in Kontakt mit uns selbst und dem was grade wirklich ist. Wenn wir es schaffen, dabei auch den Schmerz konstruktiv und aktiv durch einen inneren und äußeren Prozess zu begegnen, dann kommen wir zu dem Kern, wer wir wirklich sind. Dann kann etwas wirklich Neues passieren und Kreativitätsfenster öffnet sich. So können wir alte Muster auflösen und schaffen letztendlich Frieden in uns und zwischen uns Menschen.
Verletzlichkeit bedeutet also nicht gleich Verletzung oder Trauma oder Wunde, sonder beschreibt eher den Prozess und das wachsende Reflektionsvermögen (Vulnerabilität: Vulnus = Wunde, abilität = Fähigkeit), mich selber und meine inneren Reaktionsmuster kennenzulernen und mehr Freiheit in dem Zwischenraum von Reiz und Reaktion zu gewinnen (Reiz-Reaktions-Tolzeranz).
Wie kann «Verletzlichkeit als Ressource» ergriffen werden?
In den vergangenen Jahren haben wir – eine Forschungsgruppe aus Menschen mit verschiedenen Hintergründen – begonnen, Methoden, Ansätze und Erfahrungen zusammenzutragen, die Menschen dabei helfen können, eine neue Führungskultur und Kultur des Miteinanders zu gestalten, die einen neuen Umgang mit Verletzlichkeit am Arbeitsplatz, in Institutionen und zu verschiednen gesellschaftlichen Konfliktthemen beinhaltet.
Die Ressource, die aus diesem neuen Kulturimpuls entsteht, ist ein lebendigeres Leben, in dem wir authentische miteinander sein können, wodurch unsere psychische Gesundheit und Resilenz gestärkt wird und wir Brücken der Toleranz zu anderen Menschen bauen können, auch wenn sie ganz andere Gedanken und Ansätze haben wie wir.
Um eine solche neue Kultur zu pflegen, braucht es Räume Selbsterfahrung zum Erleben und Verstehen, Wissen und Kontextualiesierung der Begriffe sowie gemeinsamen Austausch in Workshops und Konferenzen. Wir haben dazu einen passenden Methodenkoffer entwickelt, auch wenn es bei alle dem viel mehr um eine innere Haltung geht, als um bestimmte Methoden.
Hier geht es zu unserer Homepage mit weiteren Publikationen, Methoden, Workshops und Konferenzen
Die Wichtigkeit von Herzräumen
Um den Schatz der Verletzlichkeit zu bergen braucht es Herzräume. Sichere Räume, in denen wir Wahrnehmen und Fühlen können, um wieder unserer Intution und inneren Stimme zu lauschen. Herzäume sind Quellorte der Entwicklung, in denen wir Zukunftsimpulse spüren und unsere tieferen Lebensanliegen wiederfinden können.
Herzräume zu kultivieren und zu pflegen hat also auch eine wichtige gesellschaftspolitische Komponente. Jedes Mal, wenn wir für uns alleine oder mit den Menschen in unserem Umfeld in einer Haltung der Offenheit, Verletzlichkeit und Präsenz zusammenkommen, erschaffen wir Räume für Neues. Dieses Neue kann das Alte impulsieren und erneuern, ohne es zu bekämpfen. Es ist also eine wirkliche, aber friedvolle Revolution, wieder Wahrzunehmen, ehrliches Menschsein zu üben und damit Lebens- und Arbeitszusammenhänge zu gestalten. Wenn der Schmerz und das Leid bezeugt wird und einen Ort bekommt (Social Global Witnnessing von Thomas Hübel), kann sich das erlebte integrieren und das ist eine Grundvoraussetzung für nachhaltigen Frieden. Jedes Mal, wo dies an einem Ort gelingt, Herzräume entstehen und gepflegt werden, verändert sich auch das globale Feld, denn die Erde ist ein lebndiger Organismus.
Hier ein ausführlicheres Paper von mir zum Thema Herzräume und Friedensarbeit
Und zum Abschluss und Ausklang ein Gedicht:

– Breath –
You are alive.
Feel the tenderness
Open for the unknown.
This is how we meet our true self
And our future
We have to learn
To walk on shaky ground.
Lass dich erschüttern,
Um neu zu werden.
Du brauchst keine starren Wahrheiten
Die dir falsche Sicherheiten versprechen
Lerne Laufen
Im Vertrauen auf deinen nächsten Schritt.
Das Ziel der Reise liegt in der Zukunft
An einem Ort des Nichtwissens.
Stehe dabei aufrecht
Nimm wahr, dass deine Beine zittern
– Atme –
Fühle die Angst
Halte die Augen offen
Werde groß, weit und wahrhaftig
Und geh den nächsten Schritt!
Magdalena Ries, 2022